Das Erste Londoner Bekenntnis von 1644

nach der Comprehensive Edition von 2022

Geschichte

Einige der Unterzeichner waren mit der älteren Separatistenbewegung verbunden gewesen, und so war das Separatistische Bekenntnis von 1596 [auch bekannt als “A True Confession”] unter ihnen bekannt. Dieses Bekenntnis diente ihnen als Vorbild, als sie ein längeres und umfassenderes Dokument ausarbeiteten. Auch andere Vorbilder mögen ihnen vertraut gewesen sein.

– William Lumpkin Baptist Confessions of Faith, Valley Forge, PA, 1969, S. 145, übersetzt B.U.H.

Das 17. Jahrhundert war für Europa eine Zeit voller politischer, wirtschaftlicher und auch religionspolitischer Umbrüche. Während das Leben weiter Teile der Bevölkerung auf dem Kontinent, besonders in den deutschsprachigen Gebieten, vom Dreißigjährigen Krieg 1618–1648 bestimmt wurde und später, 1683, der Vormarsch osmanischer Truppen in entscheidender Schlacht bei der Belagerung Wiens gebrochen wurde, lebte die Bevölkerung auf den britischen Inseln ebenfalls in unruhigen Zeiten.
Da es nachfolgend in erster Linie um die Textgeschichte des Ersten Londoner Bekenntnisses (1LCF) gehen soll (weiter unten mehr dazu), nur einige Eckdaten:

In dieser Zeit kam es auch zu erheblichen religionspolitischen Umbrüchen. 1643 wurde die bischöfliche Verfassung der Anglikanischen Kirche außer Kraft gesetzt; eine Versammlung von Gelehrten, die Westminster Divines, wurde durch das Parlament eingesetzt, um neue kirchliche Strukturen und eine klar definierte theologische Ausrichtung zu erarbeiten. Von dieser Versammlung wurde 1646 (gedruckt 1647) das Bekenntnis von Westminster herausgegeben, das anhaltende Bedeutung in einigen reformierten Kirchen hat, jedoch von der englischen Staatskirche, für die es erstellt wurde, letztlich nicht angenommen wurde.

In den 1630er und 1640er Jahren sammelten sich zunehmend Gruppen von Christen unabhängig von der Staatskirche, die sich in mehr oder weniger starkem Maß von dieser distanzierten und phasenweise mehr oder weniger heftiger staatlicher Verfolgung ausgesetzt waren. Einige dieser separatistischen Gemeinden gelangten zu glaubenstäuferischen Überzeugungen. In den Auseinandersetzungen der Zeit, bei Unklarheit über die zukünftige Zulässigkeit von Gemeinden außerhalb der Staatskirche, auch angesichts von Anfeindungen, Vorwürfen und übler Nachrede, wurde von sieben solchen Gemeinden gegen Ende 1644 ein Glaubensbekenntnis herausgegeben, in dem deutlich gemacht werden sollte, dass bei unterschiedlicher Sicht in Einzelfragen (im Wesentlichen was die Taufe und die Kirchenverfassung anbelangt) die Lehre dieser Gemeinden völlig auf biblischem Grund steht und eine reformierte Ausrichtung hat. Insbesondere verwahren sich die Gemeinden gegen die Gleichsetzung mit den kontinentalen Anabaptisten, deren Name stellvertretend für die Erinnerung an das radikal-schwärmerische Täuferreich von Münster etwa ein Jahrhundert zuvor stand.
Bei der Abfassung orientierten sich die (namentlich nicht sicher festzustellenden) Autoren in großen Teilen an einem früheren independentistischen Bekenntnis von 1596, der True Confession, in das sie ihre spezifischen Glaubensüberzeugungen einbrachten. Interessanterweise gibt es keine ausdrückliche Behandlung der Mahlfeier im Bekenntnis, hier war wohl kein Dissens zu den staatskirchlichen und puritanischen Kritikern erkennbar und es wurden keine dies betreffenden Anschuldigungen erhoben, sodass eine apologetische Behandlung nicht erforderlich erschien.

Das Bekenntnis wurde in der theologischen Literatur der Zeit wahrgenommen, diskutiert und auch argumentativ angegriffen. In Beantwortung der dabei erhobenen Vorwürfe wurde Anfang 1646 eine erneute Auflage des Bekenntnisses herausgegeben, immer noch im Namen der sieben Gemeinden, aber mitunterzeichnet von Vertretern einer französischsprachigen Migrantengemeinde. Einige Artikel wurden deutlicher gefasst, eine Passage zur Achtung des Privateigentums ergänzt, das Verständnis von Gemeindeleitung, das zuvor orientiert war an der (auf Martin Bucer zurückgehenden) Vierämterlehre Calvins, welche die gemeindlichen Ämter versteht als Hirten (pasteurs), Lehrer (docteurs), Älteste (anciens) und Diakone (diacres), wurde auf die neutestamentlich bezeugten Ämter von Presbyter und Diakon abgeändert.
Diese zweite Auflage wird in ihrem Titel als corrected and enlarged, also als berichtigt und erweitert, bezeichnet und gilt noch heute in aller Regel bei den englischsprachigen Gemeinden, die das 1LCF halten, als die textlich maßgebende Ausgabe. Folge davon ist, dass das gesamte Bekenntnis in all seinen Auf‌lagen oft auch als Erstes Londoner Bekenntnis von 1646 (und nicht von 1644) bezeichnet wird.
Bei den späteren Auf‌lagen von 1651 und 1652 ist nur noch der Hinweis abgedruckt, diese seien corrected, also berichtigt. Zur dritten Auf‌lage von 1651 finden dennoch erneut deutliche textliche Änderungen statt, wenn auch bei weitem nicht in dem Maße wie zwischen der ersten und der zweiten Auf‌lage; die vierte allerdings entspricht der dritten wortgenau (wenn auch bei abweichender Rechtschreibung) sodass wir zwar vier Auflagen, aber nur drei Textgestalten haben, welche einander stark ähneln.
Es gab später (1653) auch einen Nachdruck des 1LCF in Schottland, vermutlich zum Gebrauch in einer englischen Soldatengemeinde dort.

Im Jahre 1677 wurde aus den Kreisen der herausgebenden Gemeinden des 1LCF ein weiteres Bekenntnis herausgegeben, das Zweite Londonder Bekenntnis (2LCF), das sich sehr stark an das Westminster-Bekenntnis anlehnt. Als Vorlage wurde nicht das Westminster-Bekenntnis unmittelbar herangezogen, sondern eine 1658 erschienene Überarbeitung von kongregationalistischen Freikirchlern, die Savoy-Erklärung. Das 2LCF wird von manchen auch als Baptistisches Bekenntnis oder Londoner Baptistisches Bekenntnis bezeichnet, entweder (zutreffend) mit dem Zusatz »von 1677« oder aber mit dem Zusatz »von 1689« obwohl es in diesem Jahr weder verfasst noch in einer seiner Auflagen gedruckt wurde. Allerdings wurde 1689 der Gebrauch des Bekenntnisses von einem Generalkonvent der mittlerweile gewachsenen Bewegung, die später als Particular Baptists bezeichnet wurde, empfohlen. Wie weit das Verhältnis von 1LCF zu 2LCF von Kontinuität und wie weit von Diskontinuität gekennzeichnet ist, ist strittig.

William Lumpkin, der keinen Anlass zur Vermutung gibt, ihn in dieser Angelegenheit für voreingenommen zu halten, schreibt über das 2LCF in seiner großen Sammlung Baptist Confessions of Faith (Valley Forge, PA: Judson Press, 1969) auf Seite 237:
»In der Einleitung wurde die grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Londoner Bekenntnis von 1644 erklärt, aber ein Mangel an Exemplaren und die allgemeine Unkenntnis über dieses Bekenntnisses sowie das Bedürfnis nach einem umfassenderen und deutlicheren Ausdruck der Auffassungen, als ihn dieses Bekenntnis bot, wurden als Gründe für die Vorbereitung des neuen Bekenntnisses angeführt.
In der Tat gibt es zahlreiche und deutliche Unterschiede zwischen diesem Bekenntnis und dem von 1644. Zwar wurden einige Formulierungen aus dem früheren Bekenntnis übernommen, und es gibt Belege dafür, dass auch andere Anleihen bei diesem Bekenntnis gemacht wurden, aber dennoch wurde eine Reihe von bedeutenden und weitreichenden Änderungen vorgenommen. Zu den Neuerungen gehörte die Behandlung von Themen wie die Heilige Schrift, der Sabbat und die Ehe. Außerdem wurden die Ansichten über die Kirche und die Verordnungen [d.h. Taufe und Mahlfeier] geändert.«

Die 2016 gegründete Reformierte Freikirche (die auch Betreiber dieser Internetpräsenz ist) hat von Anfang an eine Übersetzung des 1LCF als ihr Bekenntnis gehalten. Der verwendete Text entsprach der zweiten Auflage von 1646, ergänzt um einen Artikel zum Verständnis der Mahlfeier, der (gekürzt) dem 2LCF entnommen wurde.
Im Zuge einer vertieften Beschäftigung mit der Bekenntnisgeschichte des 1LCF wurden die Texte aller vier historischen Londoner Auflagen miteinander verglichen, und trotz der eher geringen Abweichungen wurde schnell klar, dass keine der historischen Auflagen allein den großen inhaltlichen Reichtum dieses Bekenntisses komplett erschließt – die Auflage von 1644 bietet eine Definition des Evangeliums, die später herausgekürzt wurde, die von 1651 die Klarstellung, dass Gott einige Menschen nicht nur »ihrer Sünde«, sondern »ihrem sündigen Handeln« überlässt usw.

Um diesen historischen Schatz biblischer Wahrheiten auf eine Weise zu erschließen, die das Zeugnis der Schrift und die Erfordernisse gemeindlicher Lehre auf das Beste berücksichtigt, wurde die mit dieser Website vorgestellte Comprehensive Version des Bekenntnisses in englischer Sprache erarbeitet. Sie basiert auf der verbreiteten zweiten Auflage von 1646, integriert Elemente der beiden anderen Textfassungen und zieht in wenigen Fällen andere zeitgenössische Quellen (True Confession, 2LCF) heran. Das Ziel war nicht, einfach einen historischen Text nachzudrucken. Es lag vielmehr darin, dieses historische, in mehreren Textgestalten vorliegende Dokument für den heutigen persönlichen und gemeindlichen Gebrauch zu erschließen. Die hierbei getroffenen textkritischen Entscheidungen sind vollständig dokumentiert und im Bereich Downloads (in englischer Sprache) abrufbar. Auch die weiteren herausgeberischen Entscheidungen (Hinzufügung von Artikelüberschriften; Aufteilung der Artikel in Sektionen; Streichung einer kurzen, eher allegorischen Passage, die biblisch so nicht belegbar ist etc.) sind dort offengelegt.
Gemeinden, Werke und auch einzelne Christen, die aus unterschiedlichen Gründen ein historisches Bekenntnis annehmen wollen, das sowohl reformiert in den Aussagen über Gottes souveräne Gnade ist als auch die Taufe der Gläubiggewordenen vertritt, werden nicht umhinkönnen, das Erste Londoner Bekenntnis von 1644 in Erwägung zu ziehen. Von den unterschiedlichen Textfassungen ist die 2022 erschienene Comprehensive Version in ihrem historisch-integrativen Ansatz sicher diejenige, die biblische Aussagen am umfassendsten wiedergibt.

Die Übersetzung ins Deutsche versucht nicht, das barocke Englisch des 17. Jahrhunderts abzubilden (zur Illustration, was das bedeutet hätte, werfe man einen Blick auf Grimmelshausens Simplicissimus), verwendet jedoch eine eher gehobene Sprache, sodass (so weit vom Ausgangstext her möglich) Auszüge des Bekenntnisses auch gottesdienstliche Verwendung finden können.
Eine deutsche und englische Fassung in einfacher Sprache ist wünschenswert, aber noch nicht erarbeitet.

(BUH)